Abstract

Salvatore Aprea ist der Direktor der Archives de la construction moderne der Ecole polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL), die einer der Partner des S AM bei der Realisierung der Ausstellung Beton sind. Salvatore Aprea ist Architekt und Architekturhistoriker, lehrt Architekturgeschichte und ist Autor des Buches "German Concrete. The Science of Cement from Trass to Portland 1819-1877" und lehrte mehrere Jahre lang über die Geschichte des Betons an der EPFL. Auf der Grundlage seiner Forschung vertritt Aprea die Ansicht, dass man die Probleme, die aus der übermäßigen Verwendung von Beton im Bauwesen entstehen, nicht durch ein Schwarz-Weiss-Denken in Gut-Böse-Kategorien lösen kann. Vielmehr sollte eine ausgewogene Verwendung verschiedener Materialien angestrebt werden, die auf der Grundlage komplexer Bewertungen ausgewählt werden. Dabei müssen die Anforderungen des Bauwerks in Bezug auf Festigkeit und erwartete Lebensdauer berücksichtigt werden, ohne den architektonischen Entwurf, die lokale und globale Verfügbarkeit von Materialien sowie die ökologischen Folgen ihrer Verwendung zu vernachlässigen. Die Abschaffung von Beton ist nicht gleichbedeutend mit der Abschaffung von Mörtel, Zement und anderen Bindemitteln. Auch der Bau von vielen Hochhäusern aus Holz bedeutet nicht automatisch, dass die aktuellen ökologischen Standards eingehalten werden. Der Einsatz von Zement, Beton und Mörtel kann jedoch erheblich reduziert werden. Man kann ihre Zusammensetzung, die Produktions- und Verarbeitungstechniken ändern, um sie an die heutigen Anforderungen anzupassen. Vor allem muss man daran arbeiten, jene (Un)Kultur des Bauens zu überwinden, die sich immer mehr auf die Auswahl aus Herstellerkatalogen und die reine Wiederholung typischer Konstruktionslösungen reduziert, um Forderungen nach kurzfristigen Kosteneinsparungen zu erfüllen. Die Geschichte kann uns in dieser Hinsicht viel lehren. Bevor der Transport von Baumaterialen wirtschaftlich erschwinglich wurde, suchte man immer in der näheren Umgebung der Bauplätze nach verwendbaren Werkstoffen zum Bauen. So entdeckten die Römer die hydraulische Kraft von Tuffstein aus der Vulkanregion der Eifel in Deutschland und verwendeten ihn vor Ort als Ersatz für Puzzolan aus den Regionen Neapel und Rom. Im 18. Jahrhundert gab es naturwissenschaftliche Studien, die aufzeigten, wie man in der vulkanischen Region der Auvergne in Frankreich lokal vorhandenes Puzzolan nutzen könnte, anstatt den Stein teuer aus Italien zu importieren. Auch Einsparungen bei der Verwendung von Stahl für Beton waren immer ein Thema, vor allem in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, und führten zu einer Reihe von Experimenten, wie z. B. in Italien zwischen den beiden Weltkriegen. Warum warten wir immer erst auf den Höhepunkt einer Katastrophe, bevor wir eingreifen?

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